Mittwoch, 9. September 2009

Robert Schneider: »SCHLAFES BRUDER«

Neben Patrick Süskinds Roman »Das Parfum« (1985) ist Robert Schneiders
Roman »Schlafes Bruder« (1992) einer der wenigen Verkaufserfolge der deutschen
Gegenwartsliteratur; neues Aufsehen erregte die Verfilmung des Stoffs durch
Joseph Vilsmaier im Herbst 1995.

Inhalt:

Anfang des 19. Jahrhunderts wird der Protagonist, Johannes Elias Alder (genannt Elias) in einem kleinen vorarlbergerischen Dorf, dessen Bewohner seit vielen Jahren nur zweierlei Nachnamen aufweisen, geboren. Als leiblicher Sohn des Kurats wächst er im Hause des Seff Alder, des Ehemanns seiner Mutter, auf.

Von seiner Mutter abgelehnt und die ersten Jahre im Zimmer eingesperrt, erlebt er im Alter von fünf Jahren eine übermenschliche Verschärfung seines Gehörs, die ihn in eine mehrminütige Trance fallen lässt. Während dieses Hörerlebnisses pubertiert er lange vor der Zeit und die Iris seiner Augen färbt sich gelb, was ihm die Schandnamen „Mannkind“ und „Gelbseich“ einbringt. Von diesem Zeitpunkt an ist er besessen von der Liebe zu einem ungeborenen Kind, dessen Herzschlag er aus dem Dorf vernommen hat. Monate später stellt sich heraus, dass es seine Cousine Elsbeth ist.

Elias besitzt eine übermenschliche Gabe für die Musik. Er trainiert seine Stimme, bis er in der Lage ist, in allen erdenklichen Tonlagen zu singen und fast alle Dorfbewohner zu imitieren. Peter, sein gleichaltriger Cousin und Elsbeths Bruder, ist auf unbeschreibliche bzw. homophile Weise von Elias fasziniert. Später, als sich Elias fasziniert von der wenn auch dürftigen Orgelmusik während der Gottesdienste nachts in die Kirche schleicht, um sich selbst das Orgelspiel beizubringen, wird er sein Balgtreter.

Am Weihnachtsfest, Elias ist in seinem zwölftem Lebensjahr, entzündet Peter aus Zorn über die Misshandlungen seines Vaters den heimischen Hof. Elias, der die Flammen als erster entdeckt, rettet die schlafende Elsbeth aus dem brennenden Haus des Onkels. Der Föhnwind bläst die Flammen auf andere Gehöfte, sodass bis zum Morgen das halbe Dorf verbrannt ist. Elias allein weiß, dass Peter das Feuer gelegt hat, doch er schweigt aus Liebe zu seinem einzigen Freund.

Elias entwickelt sich zu einem, für die von sozialer Inzucht geprägten Verhältnisse des Dorfes, gut aussehenden Mann, der zudem noch fleißig und von ungewohnt vornehmer Umgangsweise ist. Nach dem Tod des wenig begabten Organisten und Dorflehrers Oskar nimmt er dessen Platz ein. Sein unbeschreibliches musikalisches Genie verschafft ihm ein hohes Ansehen, obgleich er aufgrund seines andersartigen Wesens immer ein Sonderling bleibt.

Seine Liebe zu Elsbeth wächst stetig, sie bestimmt sein ganzes Handeln und seine Musik. Als die beiden sich allmählich – rein freundschaftlich – näher kommen, überkommt Peter die Eifersucht und er arrangiert eine baldige Hochzeit zwischen seiner Schwester und Lukas, dem Sohn eines wohlhabenden Bauern. Peter begehrt Elias auf ihm unbegreifliche Weise und will ihn nicht an seine Schwester verlieren. Elsbeth, die es Zeit ihres Lebens gewohnt ist, keine Ansprüche zu stellen, fügt sich in ihr Schicksal und ist zufrieden.

Elias beginnt mit Gott zu hadern, er kann nicht begreifen, warum dieser ihn zu derartiger Liebe entbrennen lässt und Elsbeth dann einen anderen heiraten soll. Während einer verzweifelten Nacht, in der er den Herrn beschimpft und anklagt, hat er eine göttliche Vision. Als er am nächsten Morgen erwacht, ist die Liebe zu Elsbeth aus seinem Herzen, so wie das Gelb aus seinen – nun wieder grünen – Augen gewichen. Über die Leere in seinem Herzen wird Elias lethargisch und depressiv. Er beginnt sich die schmerzliche Liebe zurückzuwünschen, da er eine unerfüllte Liebe nun als erträglicher ansieht als gar keine Liebe.

Als Elias 22 Jahre alt ist, wird der Feldberger Domorganist Goller zufällig Zeuge seines schier übermenschlichen Orgelspiels. Fassungslos bittet Goller ihn zum Orgelfest nach Feldberg zu kommen. Peter, der die große Chance des Freundes wittert, überredet den antriebslosen Elias, der Einladung zu folgen, und begleitet ihn nach Feldberg.

Als Elias beim Orgelfest über den Choral „Kömm, o Tod, du Schlafes Bruder“ (aus der Kantate „Ich will den Kreuzstab gerne tragen“ von Johann Sebastian Bach) extemporiert, ergreift das Orgelspiel sämtliche Zuhörer auf nie gekannte Weise. Elias selbst entflammt in neuer Liebe zu Elsbeth und beschließt seinem Leben, gleich dem Gedanken des Chorals ein Ende zu setzen.

Auf dem Rückweg in sein Heimatdorf erinnert er sich der Worte eines Wanderpredigers, dem er einmal gelauscht hat und der sagte, dass ein wahrhaft Liebender niemals schlafe. Er beschließt so lange wach zu bleiben, bis der Tod kommt. Peter, der ihm schwören muss, niemandem etwas zu sagen, wird der einzige Zeuge seines mehrere Tage währenden Selbstmordes. Johannes Elias Alder stirbt letztendlich an den Tollkirschen, die er zu sich genommen hat, um nicht einzuschlafen. Peter begräbt den geliebten Freund und findet endlich Frieden.

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